Lyrik

Kleine Gedichtauswahl:

Die Wahrheit

 

Am Boden blutend kauert es, 

das angeschoss'ne Tier,

Im Geäst des Dickichts schutzsuchend,

doch sie sind ihm auf der Spur. 

Von Ferne das Bellen geifernder 

Schweißhunde!

 

Wohin kann es fliehen, 

wo Schutz finden und überleben? 

Es hat schon lange keine Heimat mehr 

und plötzlich sieht es das Gewehr,

Blickt in den Lauf geradewegs hinein. 

 

Nein! Nein! Nein! 

 

Habt Erbarmen, haltet ein!

Doch all das Fleh'n in seinem müden Blick 

-vergebens.

Die Jäger sind darauf erpischt, 

es endgültig zur Strecke zu bringen. 

Schluss, Ende, aus mit Ringen!

 

Sein Herz es rast, 

sein Atem bebt, 

lang hätt' es ohnehin nicht gelebt. 

Ein letzter Schuss, die Meute tobt. 

Gleich ist's soweit, dann ist es tot. 

 

Im Wald da fällt kein Blatte mehr, 

Es regt sich nichts, 

so lang schon her,

Das einst das Tier hier,

sein stolzes Haupt nach Blättern streckte, 

bevor es elendig verreckte!

K.Richter 12.01.'21

 

Die Stunde des Krieges 

Im Takt des Zeigers marschiert die Welt am schmalen Rand entlang, balanciert und fällt und niemand weiß mehr, wann. 

Am Saum des Firmaments, verglimmt der Hoffnung bleiches Licht und Finsternis bedeckt blutbefleckte Erde, die niemals mehr dieselbe werde .

Der Armen Klagen, Not und Pein stößt auf taube Ohren, Gerechtigkeit ist nur ein Wort. In welcher Haut, an welchem Ort bist du geboren?

Solange wir schweigen, wenn Waffen Tod und Elend bringen, tanzen wir weiterhin mit blut'gen Füßen den mörderischen Reigen. 

Im Takt des Zeigers marschiert die Welt am schmalen Rand entlang, balanciert und fällt schon heut' , nicht irgendwann!

 

Katja Richter 7.7.'20

 

Festung Europa

 

Europa, sieh hin!

Europa, was tust du nur?

Europa, was hat noch Sinn?

Europa, vom Menschsein keine Spur.

 

Europa, ein hoher Zaun. 

Europa, begeht täglich Mord.

Europa, ein alter Traum.

Europa, was für ein Ort?

 

Europa, bist taub und blind.

Europa, bist stumm und still.

Europa, sieh! Das tote Kind.

Europa, sag' mir, wer wir noch sind?

 

Europa, sieh hin!

Europa, was tust du nur?

Europa, ich suche den Sinn.

Europa, vom Menschsein keine Spur!

 

Geister

Ein Wimpernschlag nur, im Gefüge der Zeit, 
Drohend wandert der Stundenzeiger voran, 
Wie der Esel vor einen Karren gespannt.

Ein kleines Stück noch, 's ist nicht mehr weit!

Mahnend erheben sich Geister der Vergangenheit, 
küssen dich flüsternd und hauchen ihren Odem dir ein.
"Bist allein, allein, für immer mein"

Das Bisschen, das dir noch bleibt, hege gut.
Pfleg' es und lass es gedeihen,
Am Ende musst du dir nur selbst verzeihen!

Drum bleib ', was du bist und hoff' auf ein Morgen,
Die Wahrheit liegt jenseits von alldem verborgen. 

 

 

Motte

Oh Motte, so zärtlich und samtig dein Flügelschlag,
Stirb tausend Tode!
Erstarre in deinem Versteck, bau' ein Haus.
Oh Motte, sag', sag', sag', wann graut der Morgen,
Wann kommst du heraus? Ist es schon Tag?

Deine Wandlung, oh kleiner Falter, 
Dein Totenschädel leuchtend im Mondenschein. 
Schau' hier durchs Fenster, 
Komm' herein, lad' dich ein!

Jedes Alter mehr Schein als Sein.

So senkt sich die Nacht, 
Dächer der Stadt neigen sich tief, 
Und ich blieb stets wach,
Weil doch die Motte mich rief. 

 

Der Kreis

Aus der Starre Ewigkeit,
Schlüpft ein pelz'ges Ding, 
Spannt seine feuchten Flügel weit,
Erahnt nicht mal den Sinn.

So zart, zerbrechlich, einerlei.
So wild und neugeboren, frei.

Steigt hinauf ans Firmament,
Flattert der Sonne entgegen,
Niemals hat das Leben geend't,
Zum ersten Mal wirklich verwegen. 

So zart, zerbrechlich, einerlei. 
So wild und neugeboren, frei.

Im Wandel des Lebens, 
Schließt sich der Kreis,
Nichts ist jemals vergebens, 

Wohl dem, der es weiß!

So zart, zerbrechlich, einerlei.
So wild, unbezähmbar und: 

frei!

 

Das Meer

Tosend das Meer, 

Schäumend die Gischt,

Komm zu mir, 

Sag meinen Namen!

Noch ehe die Flamme erlischt ihn warnen.

 

Im Wellengang raunen dunkle Stimmen,

Der Regen peitscht uns entgegen,

Sie rufen von den höchsten Zinnen,

Sind wir wirklich verwegen?

 

Poseidon erzürnt den Dreizack schwingt,

Sein Antlitz voll Gram und Zorn,

Das Wasser rauscht und schäumt und springt,

Ach, wär' ich nie gebor'n!

 

Es zieht uns hinab in die Dunkelheit,

Bettet uns in ein kaltes Grab,

Zurück ins Leben, der Weg ist weit,

Als ob es nie Licht und Leben gab.

 

Lauschet der Stille dort unten am Grund,

Lieblich umfängt uns die Einsamkeit,

Das Tosen und Toben auf immer verstummt,

Der Weg zum Ewigen nicht mehr weit.

 

Mit einem Mal reißt du die Augen auf,

Dein Herz trommelt das Lied des Lebens,

So darf es nicht sein, erwache und lauf!

Du strampelt und schwimmst,

Am Ende vergebens. 

 

Die Wellen raunen dem Himmel entgegen,

Sonnenlicht tanzt glitzernd am Horizont,

Zerbrechlich ist unser aller Leben, 

Hätt' ich es nur besser gekonnt!